Ein Interview mit dem guten Gespräch
Sie sind in unserer Gesellschaft nicht mehr oft zu finden: Wie fühlen Sie sich dabei?
Es macht mich traurig. Ich würde gerne viel mehr Zeit unter den Menschen verbringen. Aber sie kümmern sich wenig um mich.
Haben Sie Feinde?
Ich würde sie nicht Feinde nennen, sondern Konkurrenten. Etwas das immer wieder dazwischen kommt, wenn ich mich zwischen Menschen ausbreiten möchte, ist das Smartphone. Es bimmelt einfach – ganz ungefragt. Entweder spricht der Gesprächspartner mit jemandem anderen etwas ganz anderes, oder es kommt eine Nachricht, die die Beteiligten von mir wegführt. Wenn sie dann von ihrem Smartphone wieder aufsehen, haben sie mich oft vergessen.
Aber kann das Smartphone nicht auch zur Unterhaltung beitragen?
Das gute Gespräch seufzt
Ich weiß nicht, es stellt sich gerne in den Mittelpunkt und weiß vieles besser. Ich kann mich noch an erfüllende Diskussionen erinnern, die Leute vor dem Auftauchen des Smartphones geführt haben, über bestimmte Orte oder vergangene Zeiten. Gemeinsam haben sie dann den Weg zur Erinnerung gefunden. Heute heißt es gleich: Googeln wir mal. Und schon ist das Gespräch beendet.
Mit dem Smartphone kann man aber auch schöne Erinnerungen festhalten.
Das gute Gespräch zuckt mit den Achseln
Mir wäre es lieber, die Menschen würden mit mir in die Tiefe gehen, als in die Tiefen ihres Handys einzutauchen.
Aber lassen wir einmal Ihren Konkurrenten beiseite. Was glauben Sie, hindert die Menschen noch daran, Sie in ihre Mitte zu lassen?
Ich glaube, vielen Menschen begleitet die Angst, etwas Falsches zu sagen.
Was kann denn falsch sein?
Je nach Umfeld könnte einem guten Gesprächsgedanken, die richtige Form im Weg stehen. Die Angst, jemanden zu beleidigen oder unabsichtlich auszuschließen, hemmt die Menschen immer mehr, mit mir locker umzugehen.
Dabei gäbe es so viele interessante Gesprächsthemen – die Klimakrise zum Beispiel.
Ach, hören Sie damit auf. Letztens hat mir der Smalltalk erzählt, dass sich die Leute öffentlich nicht mehr trauen, sich über das sonnige Sommerwetter zu freuen.
Aber es gibt überall verschiedene Meinungen dazu.
Ja, davon lebe ich eigentlich. Von der Meinungsfreiheit und der Toleranz und dem offenen Ohr für andere Ansichten. Das nährt mich. Das bringt die Menschen näher. Aber seit der Corona-Pandemie wird es immer schlimmer. Andere Meinungen sind neuerdings ein K.-o.-Kriterium für mich. Prallen verschiedene Meinungen aufeinander verlassen sie mich und gehen zu meinem Kollegen den Streit über. Aber verschiedene Ansichten können mich beflügeln, die Menschen für neue Ideen öffnen. Stattdessen pfeifen sie auf das Zuhören – was eigentlich das Herzstück von mir ist. Man kann sagen: Intoleranz gegenüber anderen Meinungen tötet mich.
Das ist eine heftige Aussage. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass sich die Menschen wieder unbefangen für mich Zeit nehmen. Das würde die Welt bereichern und alle leichter durch die aktuellen und persönlichen Krisen führen.
Ach, ja, und wen ich auch wieder mehr dabeihaben möchte, ist der Humor. Den lade ich immer herzlich zu mir ein.
Danke für das Interview.